Kiel / Plön: Offener Brief einer OMA an die Grünen
Eine unserer Mit-OMAs hat einen bemerkenswerten Brief an die Grünen geschrieben, den wir hier für Euch veröffentlichen dürfen:
Liebe Grüne,
obwohl ich langjährige Grün-Wählerin bin, fiel es mir bei dieser Europawahl sehr schwer, mich wieder für die Grünen zu entscheiden. Ich habe es noch einmal getan, aus grundsätzlichem Respekt gegenüber der Arbeit von Annalena Baerbock und Robert Harbeck – aller allgemeinen Kritik zum Trotz. Ihr hattet die schwerste Ausgangslage in Regierungsverantwortung seit Jahrzehnten. Das, was in über 20 Jahren versäumt wurde und in die falsche Richtung ging, lässt sich nicht in drei Jahren wieder richten.
Liebe Grüne, aber so könnt ihr echt nicht weiter machen! Auch ihr spielt den rechten Kräften im Land in die Hände, wenn auch ihr Eure Politik überwiegend an der Stimmungslage vermeintlicher WählerInnenstimmen ausrichtet. Es braucht eine Politik, die sich an gesellschaftlichen und wissenschaftlichen Notwendigkeiten, Erkenntnissen und Erfordernissen konsequent orientiert. Denn nichts geringeres als eine lebenswerte Zukunft für alle ist zu sichern.
Dazu braucht es einen zukunftsweisenden „General“-Plan mit SMARTEN Zielen (S-pezifisch, M-essbar, A-usführbar, R-ealistisch und T-erminiert), der allen gesellschaftlichen Schichten offen zu legen ist und mit Erklärungen für jede/n verständlich sein muss.
So ein Plan darf und wird auch mal diesem, mal jenem wehtun. Das, was für soziale Organisationen als Voraussetzung zur öffentlichen Mittelgewährung Standard ist, solltet ihr selbst auch anwenden. Das ist gar nicht so schwer, wie ich aus eigener beruflicher Erfahrung weiss. So werden dann auch sachorientierte Auseinandersetzungen möglich sowie Kompromisse und Veränderungen nachvollziehbar.
Nur wer nicht arbeitet, macht keine Fehler. Ihr aber habt leider zu lässig dabei zugesehen, wie ihr (und natürlich vor allem auch die Migration) zu Unrecht für alles, was angeblich schief läuft, zum Schuldigen der Nation abgestempelt wurdet und werdet. Angepeitscht von den Medien. Kritik in der Demokratie ist dabei doch wie das Salz in der Suppe! Habt ihr die kritischen Stimmen außerhalb eurer Blase überhaupt noch wahr- bzw. ernst-genommen? Schwer, euch mit solchen Verhaltensweisen mit Druck von außen zu unterstützen. Koalition wirklich um jeden Preis? Und dann noch zu glauben, wieder gewählt zu werden?
Der nächste Punkt:
Ich selbst bin parteipolitisch nicht gebunden. Mein Mann jedoch wollte die Grünen nach dem Motto “Jetzt erst recht” gerne aktiv unterstützen. Da wir Rentner sind, im Hintergrund, denn die jüngeren Generationen, als Direktbetroffene, sind die, die das Ruder in die Hand nehmen sollten, bzw. müssten. Weißhaarige Männer gibt es genug in der Politik. Für all die Arbeiten, für die die Berufstätigen aber keine Zeit haben, wollte er sich nützlich machen … das war aber in den derzeitigen Strukturen in eurer „Blase“ überhaupt nicht umsetzbar. Ihr steckt in den Gemeinden fest (natürlich eine wirklich aufwendige, kleinteilige Arbeit, die Anerkennung verdient) und in euren Gruppen, in die es schwer ist, aktiv mit hinein zu kommen.
Welch andere tolle Erfahrung habe ich mit den OMAS GEGEN RECHTS machen dürfen! Die Sache und das gemeinsame Ziel bestimmt dort das Handeln gegenüber allen neu hinzukommenden OMAs. Dabei sind wir noch nicht mal ein Verein und die verbindliche Zusammenarbeit klappt trotzdem – egal wo es gerade „brennt“! Im Falle eines Falles sind einige OMAs immer dabei.
Wie können die Grünen hier im Kreis Plön, in Heikendorf, zu einer Menschenkette gegen Rechts entlang der Förde aufrufen … nur mit dem Hinweis um welche Uhrzeit die Kette gebildet werden soll und dem Stellen einiger Ordner? Weder Sammeltreffpunkte wurden vorab benannt, noch kleinere Kundgebungen an verschiedenen Orten organisiert. Hier in Heikendorf war, trotz der starken Grünen Gemeindevertretung, nur mein Mann mit der grünen Fahne gegen Rechts dabei. Verwirrt suchende Menschen entlang der Förde, große Lücken in der Menschenkette. Das Ergebnis: keine vollständige Menschenkette. Frustrierte TeilnehmerInnen. Außer bei den OMAS GEGEN RECHTS hat es so die örtliche AfD Gruppe geschafft, sich mittels des Symbols der Friedenstaube unter die Teilnehmenden zu mischen. Zum Glück hat die Presse über das Fiasko mal nicht berichtet.
Der dritte Punkt
(natürlich gäbe es noch viel mehr Beispiele, über die man sprechen könnte) ist, dass ihr offensichtlich schlechte Kampagnen-Berater habt. Die “5 Gründe bei der Europawahl Grün zu wählen” sind einfach nur allgemein und stellen nur das dar, was alle demokratischen Parteien sagen.
Es wird heute keine Partei mehr gewählt, die alles fast genauso macht wie die anderen. Die rum-eiert und nicht mehr über konkrete Visionen oder Zukunftsvorstellungen im Gesamtzusammenhang diskutiert, die nicht mehr agiert, sondern nur noch auf Ereignisse reagiert. Die bei jedem Gegenwind einknickt. Was für ein Vorbild soll das sein für die Jugend? In Anbetracht der Klimakatatrophe müsstet ihr doch jeden Tag schreien und protestieren – und nicht die bisher ungehörten Hungerstreikenden in Berlin! Seid ehrlich, worum geht es überhaupt noch? Nur darum, eure politischen Posten zu erhalten? Das mag und will ich nicht glauben! Dann zeigt es jetzt bitte auch deutlich!
Es scheint, als ob der Wohlstand uns alle behäbiger, selbstgefälliger, bequemer und feige gemacht hat. Wir alle müssen runter vom Sofa und uns einmischen. Es steckt so viel Positives und ja sogar auch Gewinn darin, unsere Wirtschaft zukunftsfähiger und nachhaltiger zu gestalten. Wer, wenn nicht wir, mit unserem Knowhow! Auch Themen wie Übergewinne und Kriegsgewinnler müssen offen besprochen und konsequent angegangen werden, ebenso wie die teils künstliche Steigerung unserer Lebenshaltungskosten.
Das braucht neben einer klaren und starken Haltung auch den Mut, auch mal was gegen Widerstand durchzusetzen (ohne moralische Apelle, sondern mit Sachargumentation). Auch ich erinnere hier gerne an den verstorbenen ehemaligen Umweltminister Töpfer – der gesagt hat: “Protestiert, macht mir die Hölle heiß, dann kann ich was durchsetzen!”
Keine Kriminalisierung der letzten Generation! Weshalb ist man sich zu schade, die Hungerstreikenden in Berlin anzuhören? Weshalb sind so minikleine Fortschritte nicht möglich wie Verbot der Sylvesterknallerei? Firmen, deren Geschäftsmodell allein darauf fußt, muss endlich auch durch die Politik klar werden, dass das keine Branche mit Zukunft sein kann. Wie einfach und kostenfrei wäre z.B. ein Tempolimit … usw. …
Vor allem brauchen wir, im Interesse einer überlebensfähigen Zukunft, eine wieder gerecht verteilende solidarische Gesellschaft, die sich vor der Lösung von Grundproblemen nicht drückt – Armut, Wohnungslosigkeit und Fachkräftemangel. Die z.B. auch nicht vergisst, weshalb sie in schwierigen Zeiten die Pflegekräfte beklatscht hat. Dass sich bis heute weder Kanzler noch Vizekanzler zu den Auswirkungen der Europawahl eingehend geäußert haben, zeigt wenig Führungsstärke und Respekt vor den WählerInnen und wirkt verharmlosend auf den Rechtsruck. Klare Stellungnahmen sind aus meiner Sicht nötig, keine Rücktritte oder vorgezogene Wahlen. Ich hoffe, dass das Schweigen Ausdruck einer tiefsitzenden Nachdenklichkeit und Scham ist und den Weg zu einer echten Veränderung frei macht.
Geschrieben im Sinne eines solidarischen Verbesserungsmanagements, für eine gemeinsame, veränderungswillige, lebenswerte Gesellschaft.
Den blau-braunen Rückwärtsgang stoppen! Jetzt erst recht!
Liane – eine der
OMAS GEGEN RECHTS Kiel (und Umgebung)