<< zurück | Post ID # 20767 | 22.12.2024

# OMAs Advent 2024 – Türchen 22: Rechts, Rechtsradikal, Rechtsextrem

Manchmal habe ich Lust auf Emails zu antworten, die mir im ersten Moment total abwegig erscheinen.

So kürzlich geschehen – und davon möchte ich Euch erzählen.

Ich denke, dass mein – mir immer noch vollkommen unbekanntes – Gegenüber und ich auf politisch völlig verschiedenen Welten unterwegs sind (und auch bleiben werden), und dennoch ergab sich eine interessante Diskussion. Die Erfahrung macht mich glücklich, denn unterschiedliche Ansichten müssen eben doch nicht immer gleich bedeuten, dass man verbale Schlammschlachten miteinander führt – ganz im Gegenteil. Und – wie wir schon so oft schrieben: das müssen wir an vielen Stellen wieder lernen und neu aufleben lassen.

Das Thema waren die Begriffe “rechts, rechtsradikal, rechtsextrem”.

Das mag ein bisschen akademisch oder sogar – neudeutsch – nach “Whataboutism” klingen. Aber lest bis zum Ende. Denn es geht noch um etwas anderes: Wenn wir jedes Thema direkt “abbügeln”, stellen wir uns selbst in Frage. Wir können kein demokratisches Miteinander einfordern, wenn wir nicht die Grundvoraussetzung – das miteinander Reden – selbst vorleben und beherrschen.

Also, die erste Email lautete:

Moin,
auch die Nationalsozialisten waren gegen “rechts”, fühlten sich als “Linke”.
Nennt bitte ein Beispiel für eine “rechte” Haltung.
“rechtsradikal” bedeutet seit 1974 demokratisch. Was nun?
Die Verwirrung ist total. Gruß!

Hand aufs Herz – die wenigsten hätten geantwortet. Spam, löschen, fertig. Aber irgendwas sprach mich an und ich antwortete:

Moin auch,

hierzu geben wir gern Auskunft.

1. Waren Nazis links?

Dieses Narrativ wird gern bedient, vor allem, seit es von einer AfD Anhängerin vor Jahren auf Twitter / X verbreitet wurde.. Richtig ist aber: >> Als die Nazis noch nicht an der Macht waren, existierte in der Tat ein Flügel, der sich antikapitalistisch und revolutionär gab. Man wollte auf diese Weise die Linke für sich gewinnen. Hitler ließ die Leitfigur, Gregor Strasser, aber 1934 liquidieren. Und das bedeutete auch das Ende dieser Strömung. Nach der Machtübernahme wollte Hitler “sein Volk” selbstverständlich bei Laune halten – auch durch soziale Gefälligkeiten. Diese Wohltaten änderten aber nichts an dem grundsätzlich rechtsextremen Charakter des Regimes. <<
(Extremismusexperte Jürgen P. Lang, siehe br.de/nachricht/faktencheck/waren-die-nazis-links-100.html)

2. Beispiele für rechte Haltungen

Die Definition des Kurzbegriffes “rechts”, der bei uns als Synonym für “Rechtsextremismus” steht, wird bspw. bei der Bundeszentrale für politische Bildung erklärt:

Was ist eine rechtsextreme Haltung und woraus besteht sie?
https://www.bpb.de/themen/rechtsextremismus/dossier-rechtsextremismus/198945/was-ist-eine-rechtsextreme-einstellung-und-woraus-besteht-sie/

3. “Rechtsradikal bedeutet seit 1974 demokratisch”
Diese Aussage können wir so nicht nachvollziehen. Können Sie uns hierzu mehr Informationen geben und Quellen benennen. damit wir diese prüfen können?

4. Die Verwirrung ist total
Dass die politische Situation insgesamt vielen Menschen verwirrend erscheint, ist absolut richtig. Mit guter Information lässt sich aber vieles lösen – und dafür sind wir da.

Darum sind wir ja auch gern weiter behilflich – sogar, falls die Fragen nicht ernst gemeint waren 🙂

Freundliche Grüße …

Entgegen meiner sonstigen Art sparte ich mir jeglichen Sarkasmus – auch wenn ich dafür mehrfach Sätze löschen und umformulieren musst. Und ich rechnete nicht mit einer Antwort. Diese kam jedoch umgehend – nur wurde leider auf eine Quelle verwiesen, die definitiv dem “äußersten rechten Rand” zuzuordnen ist. Aber auch das konnten wir sachlich aufklären.

Ich bat weiterhin nochmals um Informationen zu Punkt 3 – “Rechtsradikal bedeutet seit 1974 demokratisch”. Die bekam ich und konnte daraufhin tatsächlich die Informationen verifizieren, auch wenn das noch lange nicht heißt, dass “rechtsradikal demokratisch bedeutet”. Es ist schon etwas differenzierter zu sehen:

Darin heißt es im Absatz über “Rechtsradikalismus”:

(…) Radikale Strömungen verstoßen nicht zwangsläufig gegen die Prinzipien der freiheitlichen demokratischen Grundordnung. (…) Das Bundesamt für Verfassungsschutz hat die Abgrenzung zwischen (Rechts-)Radikalismus und (Rechts-)Extremismus klar definiert:

“Als extremistisch werden die Bestrebungen bezeichnet, die gegen den Kernbestand unserer Verfassung – die freiheitliche demokratische Grundordnung – gerichtet sind. Über den Begriff des Extremismus besteht oft Unklarheit. Zu Unrecht wird er häufig mit Radikalismus gleichgesetzt. So sind z.B. Kapitalismuskritiker, die grundsätzliche Zweifel an der Struktur unserer Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung äußern und sie von Grund auf verändern wollen, noch keine Extremisten. Radikale politische Auffassungen haben in unserer pluralistischen Gesellschaftsordnung ihren legitimen Platz. Auch wer seine radikalen Zielvorstellungen realisieren will, muss nicht befürchten, dass er vom Verfassungsschutz beobachtet wird; jedenfalls nicht, solange er die Grundprinzipien unserer Verfassungsordnung anerkennt.”

Hier hat sich von amtlicher Seite eine Begriffsumdeutung durchgesetzt. In den ersten Jahrzehnten der Bundesrepublik wurden nämlich verfassungsfeindliche Bestrebungen von rechts als ”rechtsradikal” deklariert. Seit Beginn der 1970er Jahre werden rechtsgerichtete Demokratiefeinde offiziell nun als Rechtsextremisten bezeichnet.

Von den Behörden und der Sozialwissenschaft wird der Begriff Rechtsradikalismus seitdem in der Regel auf Personen und Organisationen gerichtet, die klar rechts der Mitte des politischen Spektrums stehen, dabei allerdings im Rahmen der Verfassung bleiben. Der freiheitlichen demokratischen Grundordnung steht Rechtsradikalismus in der Regel nicht feindlich gegenüber. Die Grenzen vom Rechtsradikalismus zum Rechtsextremismus sind dabei allerdings häufig fließend. (…)

Es ist also korrekt, dass rechts-radikal nicht zwingend rechts-extrem bedeutet. Allerdings ist damit nicht jedes rechtsradikale Verhalten automatisch mit “demokratisch” gleichzusetzen. Es ist eher ein “es kommt darauf an”. Unter anderem auch darauf, wie “demokratisch” definiert wird. Geht es nur um die verfassungsmäßigen Rahmenbedingungen, würden sich demnach Rechtsradikale immer noch “im Rahmen” bewegen, wenn auch am äußersten Rand. Definieren wir “demokratisch” aber auch als Einhalten und “gelebte Umsetzung” von Menschenwürde und Gleichheitsprinzipien, würde ich das “demokratisch” nicht mehr jedem Rechtsradikalen sofort zugestehen. Hier fehlt meines Erachtens die Dimension “Verhalten”.

Gefühlt fand ich “rechtsradikal” eigentlich immer die schlimmere Bezeichnung – gelernt habe ich jetzt: das ist es nicht. Die politischen Abstufungen sind vielmehr

  • rechts = konservativ
  • rechtsradikal = “noch nicht rechts-extrem”, noch innerhalb der Grundprinzipien unserer Verfassung, aber eben schon deutlich radikaler als “nur rechts”.
  • rechtsextrem = außerhalb der Grundprinzipien unserer Verfassung

Warum war das jetzt wichtig?

Eigentlich weniger wegen des Ergebnisses. Das hat (wie eingangs geschrieben) eher akademischen Charakter – denn “unterm Strich” geht es uns als OMAs darum, menschenverachtende Haltungen, die sich politisch manifestieren, aufzudecken und – ja – anzuprangern, egal welches Adjektiv dafür verwendet wird – also “egal, was auf der Verpackung drauf steht”.

Es geht darum, eine Gesellschaft eines freundlichen, vielfältigen Miteinanders zu schaffen. Mit gleichen Voraussetzungen für alle – solange sich alle friedlich miteinander verhalten. Wer dem nicht entspricht (egal aus welcher radikalen oder extremen Richtung), dem stellen wir uns als OMAS GEGEN RECHTS entgegen. Aber der Fokus liegt bewusst auf “rechts” – wie in unseren  Grundsätzen beschrieben.

Was die Diskussion aber – zumindest mir persönlich – gebracht hat: Klarheit in den Begrifflichkeiten oder kurz “Wieder was gelernt.” Das ist hilfreich für kommende Diskussionen. Zum einen inhaltlich, zum anderen für die klare persönliche Positionierung, noch wichtiger aber: in der Gesprächsführung. Es ist durchaus möglich, auch bei völlig verschiedenen politischen Ansichten vernünftig miteinander umzugehen.

Das war wie ein kleines Weihnachtsgeschenk in all den politischen Marktschreiereien, die uns aktuell umgeben.

Wir KÖNNEN und SOLLTEN miteinander reden, wann und wo immer es geht. Denn ein kleines Fünkchen von dem, was wir “Weltverbessser:innen” 😉 uns wünschen, wird auch darin immer irgendwie zünden.

Sandra für das WebTeam
kontakt@omasgegenrechts-nord.de

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