Achim: Bericht Auftakt Wanderausstellung “Erinnern heißt Kämpfen”
Die Auftaktveranstaltung der Wanderausstellung:„Erinnern heißt Kämpfen – Todesopfer rechter Gewalt, in Niedersachsen nach 1990“ in Achim ist zu unsere großen Freude sehr gut angekommen.
Auftaktveranstaltung zur Wanderausstellung
„Erinnern heißt Kämpfen – Todesopfer rechter Gewalt in Niedersachsen nach 1990“
in Achim
Auf Einladung der Achimer OMAS GEGEN RECHTS hat am Montag, 14. Oktober als Auftaktveranstaltung zur Wanderausstellung „Erinnern heißt Kämpfen – Todesopfer rechter Gewalt in Niedersachsen nach 1990“ der freie Journalist und Publizist Lucius Teidelbaum im Rathaus Achim vor gut 100 interessierten Menschen – darunter viele OMAS aus Bremen, Verden und UMZU – einen eindrücklichen Vortrag zum Thema „Obdachlosenhass und Sozialdarwinismus“ gehalten.
Nach der Begrüßung durch das Orga-Team der OMAS GEGEN RECHTS und einer musikalischen Auflockerung durch die Bremer OMA Ortrud Staude sprach Eva Bunn von der „Mobilen Beratung Niedersachsen gegen Rechtsextremismus für Demokratie“ einige einführende Worte zu den Inhalten dieser Ausstellung, in der anhand von zehn Einzelschicksalen u.a. aufgezeigt wird, dass Rassismus, Verachtung von Obdachlosen/Randständigen sowie Hass auf politische Gegner*innen und eine Machtdemonstration die häufigsten Tatmotive für rechte Gewalttaten sind.
Eva Bunn berichtete exemplarisch über das Schicksal des jungen Kolong J., der aus Gambia nach Deutschland floh und während einer Bahnfahrt von einem Mitreisenden niedergestochen wurde, weil sich dieser durch den jungen Mann gestört fühlte, der anschließend an seinen schweren Verletzungen starb. Dieser Fall zeige, dass Rassismus kein Randphänomen mehr sei, sondern ein gesamtgesellschaftliches Problem.
Der Hauptredner des Abends Lucius Teidelbaum ging anschließend in seinem Vortrag auf diverse Aspekte zur Ursache von Obdachlosenhass ein (mehr Informationen siehe unten).
Eine anschließende Frage- bzw. Diskussionsrunde schloss den Vortragsabend ab, über den sich alle Beteiligten zufriedenstellend äußerten.
Vor und nach der Auftaktveranstaltung im Rathaussaal wurden von vielen Besucher*innen schon mit Interesse und großer Betroffenheit die in der Rathaushalle aufgestellten Rollups der Wanderausstellung betrachtet.
Die Wanderausstellung
„Erinnern heißt Kämpfen – Zwischen Anerkennung und Vergessen“
im Rathaus Achim, Obernstraße 38,
ist noch bis zum 26. Oktober zu folgenden Öffnungszeiten zu sehen:
Mo 9 – 12 Uhr, Di – Do 9 – 18 Uhr, Fr + Sa 9 – 13.30 Uhr
OMAS GEGEN RECHTS Achim
OMASgegenRECHTS-Achim@web.de
Ergänzung zum Vortrag von Lucius Teidelbaum
Der Hauptredner des Abends Lucius Teidelbaum ging in seinem Vortrag auf diverse Aspekte zur Ursache von Obdachlosenhass ein.
Er erläuterte einleitend den Begriff ‘Sozialdarwinismus’, der eine Ideologie beschreibt, die besagt, dass nicht alle Menschen gleich viel wert seien.
Obwohl die Idee des Sozialdarwinismus ihren Ursprung in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts hat, gibt es auch heute noch moderne Auslegungen.
Manche Menschen sind immer noch der Meinung, dass es bestimmte Minderheiten oder Personengruppen gibt, die weniger wert seien. Obdachlose Personen werden zum Beispiel von manchen für faul befunden. Ihnen wird unterstellt, sie seien selbst an ihrer Lage schuld, obwohl viele verschiedene Faktoren den Verlust der eigenen Wohnung nach sich ziehen kann: Trennung/Scheidung, Jobverlust, Unfälle, Todesfälle, Schulden, psychische Probleme oder eine Sucht-Erkrankung.
Eine ähnliche Haltung bringen manche Menschen auch Mitmenschen mit Migrationshintergrund entgegen.
Außerdem hat sich ein wirtschaftlicher Sozialdarwinismus entwickelt, nach dem die Menschen zunehmend nach ihrer wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit bewertet werden. Wer weniger Geld zur Verfügung hat, ist demnach auch weniger wert.
Ein Satz des Vortragenden, der selbst jahrelang nebenberuflich in einer Männer-Notübernachtung gearbeitet hat, machte die oft prekäre Situation von Obdachlosen deutlich: „Sie haben keine Tür, die sie hinter sich zumachen könnten.“ Heißt: sie sind jedweder Form von verbaler und auch körperlicher Gewalt weitgehend schutzlos ausgeliefert.
Zudem werden den Obdachlosen die Aufenthaltsmöglichkeiten im Freien immer häufiger erschwert und sie so aus dem öffentlichen Bild verdrängt, z.B. durch Bettel- und Alkoholverbotszonen, Platzverweise, Sprinkleranlagen und zunehmende defensive Architektur in Form von Bänken mit ‘Spikes’.
Insgesamt gibt es viel mehr wohnungslose Männer als Frauen, da Frauen i.d.R. über ein besseres soziales Netzwerk verfügen und sich auch eher Hilfe suchen als Männer.
Das Fehlen von ausreichenden, bezahlbaren Sozialwohnungen verschärft das Problem der Wohnungslosigkeit in Deutschland zunehmend. Einen bemerkens – und nachahmenswerten Ansatz verfolgt schon seit vielen Jahren Finnland mit seinem ‘Housing First’-Konzept, das Menschen mit hohem Unterstützungsbedarf eine kostenlose Wohnung zur Verfügung stellt und ihnen eine flexible Betreuung anbietet.
Dieses Konzept zeigt auch in Deutschland ansatzweise erste Erfolge, doch es fehlt an Wohnraum bzw. an entsprechenden Geldern.