<< zurück | Post ID # 4332 | 18.07.2021
Hamburg: Bericht zur Trauerfeier von Esther Bejarano
Liebe OMAS,
Esther Bejarano hat uns OMAS seit unserem Bestehen begleitet. Wir haben sie auf Veranstaltungen erlebt und sie wurde unsere EhrenOMA.
Gestern wurde sie auf dem Ohlsdorfer Friedhof beigesetzt. Ich war als Gast geladen und die Trauerfeier ist mir sehr nahegegangen. Für alle diejenigen, die nicht dabei sein konnten, möchte ich meine subjektiven Eindrücke und Gedanken schildern.
Pandemiebedingt konnte nur eine begrenzte Anzahl Trauergäste in der Abdankungshalle und drumherum teilnehmen.
Hunderte von Menschen konnten die Feier über Monitore vor dem Friedhof mitverfolgen.
Viele junge Menschen von Antifagruppen organisierten den Aufbau, die Technik und halfen als Ordner. Ich sprach mit einem, der sagte, es sei ihm eine Ehre das für Esther tun zu dürfen.
Für mich war das ein Ausdruck ihrer Arbeit mit und Zugewandtheit zu jungen Menschen.
Den religiösen Teil der Feierlichkeiten bestritt der orthodoxe Oberrabbiner Bristritzky.
Als zweiter Redner sprach unser Bürgermeister Tschentscher. Er hielt eine freundliche Rede, die sich auf Esthers Wirken bez. des Gedenkens an den Holocaust beschränkte.
Eine Freude war es für mich die unvergleichliche Peggy Parnas zu hören, die sehr persönliche Worte über Esther sprach.
Hauptredner war Rolf Becker. Seit Jahrzehnten ein enger Freund und wie er sagte kleiner Bruder Esthers. Er drückte nicht nur seine Trauer aus sondern er skizzierte ihre politischen Haltungen und Aktivitäten, nach Esthers Worten : ” nichts verfälschen, nichts beschönigen, nichts unterschlagen.”
Dazu gehörten auch sehr kritische Worte über den Hamburger Senat und die Behandlung Esthers durch diesen. Sie wurde nie Ehrenbürgerin der Stadt Hamburg. Ich hoffe, der Bürgermeister hat gut zugehört.
Ebenso schilderte er ihre kritische Haltung zur israelischen Siedlungspolitik. Und die Tatsache, dass Esther Zeit ihres Lebens Kommunistin war. Eine Frau mit “Herzensintelligenz und Widerstandsgeist”.
Nach seiner wunderbaren, sehr liebevollen Rede, die die unterschiedlichen Facetten Esthers zeigte brandete tosender Applaus von den Teilnehmern auf. Das Klatschen der Menschen vor dem Friedhof war bis zur Halle zu hören. Das ist nicht üblich auf Beerdigungen.
Die Rede wirkte fast wie Manifest. Ich hoffe sehr, dass sie irgendwann im Netzt erscheint, damit ihr sie alle lesen könnt.
Ihr Sohn Joram und Kutlu sprachen ebenfalls einige Worte.
Wir begleiteten den Sarg über den Friedhof zum Grab neben dem ihres Mannes Nissim. Dort sprach ihr Sohn das Totengebet und eine nicht enden wollende Schlange von Menschen gingen an ihrem Grab vorbei.
Auf der danebenliegenden Wiese standen Stühle für die älteren Teilnehmer und Getränke. Eine Musikgruppe, die auch auf ihrem 95. Geburtstag auftrat (leider fällt mir der Name nicht mehr ein) spielte u.a. ” El pueblo unido” die Hymne des proletarischen Internationalismus. Das hatte fast ein bischen Festivalcharakter.
Die Kränze und Blumengestecke wurden nach der Feier zum Mahnmal für die Opfer des Nationalismus gelegt, gegenüber der Abdankungshalle.
Ich habe die Berichterstattung nach dem Tod von Esther sehr genau verfolgt und es ist schon bemerkenswert, dass die meisten bürgerlichen Zeitungen Esthers Wirken auf ihre Musik und Erinnern und Mahnen reduzieren.
Für mich ist das die manipulative Macht des Verschweigens und Umdeutens und es ärgert mich maßlos, denn Esther war eben auch Aktivistin. Auch deshalb fand ich die Rede von Rolf Becker so großartig und wichtig. Denn gerade als Aktivistin wurde sie oft angefeindet auch von einigen, die sie jetzt ehren. Das sollten und dürfen wir nicht vergessen. ” Wer gegen Nazis kämpft, kann sich nicht auf den Staat verlassen”, sagte sie häufig.
Die genaueste Berichterstattung habe ich im ” der Freitag” , “nd journalismus von links ” gelesen. Den letzteren sende ich Euch im Link. Außerdem eine der letzten Reden von Esther zu ihrer Forderung der 8. Mai muß Feiertag werden vom Mai 2012.
Esther Bejarano wird uns fehlen.
Wir OMAS GEGEN RECHTS kämpfen weiter !
Dörte