<< zurück | Post ID # 8508 | 06.11.2022

Hannover-Land: Redebeitrag imKZ Außenlager Stöcken

Sehr geehrte Damen und Herren,
Wir gedenken am heutigen Tage, hier an diesem Mahnmal sowohl der Opfer des vergangenen 2. Weltkrieges als auch des heutigen Kriegsgeschehens in Europa und weltweit.
Russland hat mit seinem Krieg die Sicherheitslage, wie sie Europa 30 Jahre lang kannte, verändert. Es gibt kein zurück in die alte Zeit. Wir erleben seit dem 24. Februar das Ende der Gewissheit NIE WIEDER, nicht aber das Ende der Besonnenheit.
Für uns ist das, was hier in Stöcken geschehen ist, Warnung und Mahnung zugleich, ein Verbrechen unter allen Augen; der Nachbarn, die hier gewohnt haben, der Mitarbeiter im Betrieb. 13 Millionen verschleppte Menschen hat es während des 2. Weltkrieges gegeben, 8 Millionen Zwangsarbeiter, davon allein über 4500 Menschen im Lager in Stöcken. Häftlinge des KZ Neuengamme bei Hamburg haben im firmeneigenen Lager der Akkumulatorenwerke von Juli 1943 bis April 1945 unter SS-Aufsicht Sklavenarbeit bei der Herstellung von kriegswichtigen Batterien geleistet und Ausbeutung bis zum Tod erfahren. Der Kontakt mit Blei und Säure, fehlende Sicherheitsvorkehrungen, mangelhafte Ernährung und das drakonische Naziregime durch SS und Kapos führte zu insgesamt mehr als 400 Todesfällen hier im Lager in dieser kurzen Zeit, 80 Menschen im Monat. Nach Aussage eines dänischen Überlebenden, Carl-Adolf Sörensen, war dieser Ort eine einzige Hölle.
Als das Ende des Krieges kurz bevorstand, in der Nacht des 7. auf den 8.April 1945, (am 10. April befreiten die Amerikaner Hannover) mussten marschfähige Häftlinge das Lager Richtung Bergen-Belsen verlassen. Häftlinge, die nicht Schritt halten konnten, wurden von ihren SS-Bewachern erschossen. Ca. 600 nicht marschfähige Häftlinge wurden mit dem Zug transportiert, schließlich in einer Scheune bei Gardelegen ermordet, indem diese in Brand gesteckt wurde.
Wir sind heute hier, weil wir nicht wollen, dass diese Geschichte vergessen wird, dass sich Geschichte gar wiederholt. Nur wenn wir etwas tun, werden wir zu Akteuren von Hoffnung und befreien uns selbst von der Rolle als Zuschauer dieser Kriegsgräuel. Mit unserer Lebenserfahrung wollen wir aktiv sein in Sorge für unsere Kinder und Enkelkinder, damit sie in einem geeinten friedlichen Europa und in einer stabilen Demokratie leben können. Es ist wichtig und vereint uns, dass wir aufstehen und aktiv werden gegen Fremdenfeindlichkeit und Rassismus gerade in diesen Tagen, in denen rechtsradikale Parteien Zulauf bekommen und die Gesellschaft spalten und Menschen gegeneinander aufwiegeln.
Wir trauern und mahnen gemeinsam.
Trauern bedeutet Innehalten, Innehalten in der Alltagshektik und mediendurchfluteten Welt der uns täglich neu erschütternden Nachrichten.
Wir betrauern die Entwürdigung, die Menschen in unserem Land, in unserer Nachbarschaft, vor unserer Haustür anderen Menschen angetan haben. Wir mahnen in ihrem Gedenken, das Auseinanderdriften der Zivilgesellschaft zu verhindern, Menschenfeindlichkeit, Fremdenhass und Antisemitismus in jeglicher Form nie wieder zuzulassen und von Beginn an zu erwehren.
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