<< zurück | Post ID # 19172 | 10.11.2024

# 9. November: Kristallnacht

Bildnachweis: (c) OMAS GEGEN RECHTS Nord & Wikimedia (s. Fußnote [1])

Vielerorts wird der Novemberpogrome gedacht. Und sicher fühlen die meisten dabei, wie dicht wir an der Wiederholung der Geschichte stehen. Es liegt an uns. Nie wieder ist jetzt.

> NDR: Gedenken im Hamburger Grindelviertel 
> Campact: Argumente gegen Antisemitismus

Hintergrund: Brennende Synagogen, zerstörte Geschäfte und Wohnungen …, in der Nacht vom 9. auf den 10. November 1938 wurden Zehntausende Juden verhaftet und viele in den Tod getrieben – nicht spontan, sondern nach einem gezielten Plan der Nazis.

> planet-wissen.de
> Sonderseite NDR: Reichspogromnnacht
> BPB: Die Reichskristallnacht
> BPB: 9.11.1938 Das Datum der Grenzüberschreitung
> Holocaust-Enzyklopädie: Pogromnacht

“Der Schoß ist fruchtbar noch, aus dem das kroch”
Bertolt Brecht in “Der aufhaltsame Aufstieg des Arturo Ui

„… dass das nochmal aufflirrt – hier bei uns – in dieser Weise. Wir sind alle gleich – es gibt kein christliches, muslimisches, jüdisches Blut. Es gibt nur menschliches Blut. Ihr habt alle dasselbe. Wir sind Menschen, nichts anderes. Seid doch Menschen!“
Margot Friedländer, Überlebende des Holocaust, geboren 1921 in Berlin

München: Virtuelles Projekt “Inside Pogromnacht”

Charlotte Knobloch sah die Novemberpogrome 1938 als kleines Mädchen in München. Das Projekt „Inside Pogromnacht“ ermöglicht es jetzt, ihre Erfahrungen während des Naziterrors nachzuerleben – mit Hilfe virtueller Realität.
> insidepogromnacht.org
> Bericht bei Antenne Bayern
> Video im ARD (verfügbar bis 09.12.2024)

Erich Kästner – Glaskaskaden

Warum die Novemberpogrome den Titel “Kristallnacht” bekamen, beschreibt Erich Kästner:

„Als ich am 10. November 1938, morgens gegen drei Uhr, in einem Taxi den Berliner Tauentzien hinauffuhr, hörte ich zu beiden Seiten der Straße Glas klirren. Es klang, als würden Dutzende von Waggons voller Glas umgekippt. Ich blickte aus dem Taxi und sah, links wie rechts, vor etwa jedem fünften Haus einen Mann stehen, der, mächtig ausholend, mit einer langen Eisenstange ein Schaufenster einschlug. War das besorgt, schritt er gemessen zum nächsten Laden und widmete sich, mit gelassener Kraft, dessen noch intakten Scheiben. […] Glaskaskaden stürzten berstend aufs Pflaster. Es klang, als bestünde die ganze Stadt aus nichts wie krachendem Glas. Es war eine Fahrt wie quer durch den Traum eines Wahnsinnigen.
Erich Kästner, Gesammelte Schriften für Erwachsene, Band 8, München/Zürich 1969, S. 47f.

BAP – Kristallnacht

Dieses Bild spiegelt auch der Song “Kristallnaach” von BAP wider – mit dem deutlichen Hinweis, dass solche Verbrechen immer noch passieren, wenn Menschen aus Profitgier oder Machtmissbrauch verfolgt und unterdrückt werden.

> https://www.bap.de/songtext/kristallnaach/

Kristallnacht
Es kommt vor, dass ich meine: etwas klirrt,
Dass sich irgendwas in mich verirrt,
Ein Geräusch, nicht mal laut,
Manchmal klirrt es vertraut,
Selten so, dass man es sofort durchschaut.
Man wird wach, reibt sich die Augen und sieht
In einem Bild zwischen Breughel und Bosch
Keinen, der um Sirenen besorgt,
Weil Entwarnung viel billiger ist.
Es riecht nach Kristallnacht.

In der Ruhe vorm Sturm, was ist das?
Ganz klammheimlich verlässt wer die Stadt,
Honoratioren inkognito hasten vorbei,
Offiziell sind die nicht gern dabei,
Wenn die Volksseele, allzeit bereit,
Richtung Siedepunkt wütet und schreit:
“Heil Halali“, und grenzenlos geil
Nach Vergeltung brüllt, zitternd vor Neid,
In der Kristallnacht.

Doch die alles, was anders ist, stört,
Die mit dem Strom schwimmen, wie sich’s gehört,
Für die Schwule Verbrecher sind, Ausländer Aussatz,
Sie brauchen wen, der sie verführt.
Und dann rettet keine Kavallerie,
Kein Zorro kümmert sich darum,
Der pisst höchstens ein „Z“ in den Schnee
Und fällt lallend vor Lässigkeit um:
“Na und? Kristallnacht!“

In der Kirche mit der Franz Kafka-Uhr
– Ohne Zeiger, mit Strichen nur –
Liest ein Blinder einem Tauben “Struwwelpeter“ vor,
Hinter dreifach verriegelter Tür,
Und der Wächter mit dem Schlüsselbund hält
Sich im Ernst für so was wie ein Genie,
Weil er Auswege pulverisiert
Und verkauft gegen Klaustrophobie
In der Kristallnacht.

Währenddessen, auf dem Marktplatz vielleicht,
Unmaskiert, heute mit wahrem Gesicht,
Sammelt Steine, schleift das Messer auf die, die schon verpetzt,
Probt der Lynch-Mob fürs Jüngste Gericht.
Und zum Laden nur flüchtig vertäut,
Die Galeeren stehen längst unter Dampf,
Wird im Hafen auf Sklaven gewartet,
Auf den Schrott aus dem ungleichen Kampf
Aus der Kristallnacht.

Da, wo Darwin für alles herhält,
Ob man Menschen vertreibt oder quält,
Da, wo hinter Macht Geld ist,
Wo Starksein die Welt ist,
Vom Kuschen und Strammstehen entstellt,
Wo man Hymnen auf dem Kamm sogar bläst,
In barbarischer Gier nach Profit
“Hosianna“ und „Kreuzigt ihn“ ruft,
Wenn man nur einen Vorteil drin sieht,
Ist täglich Kristallnacht.
Nur noch Kristallnacht.

Uns allen alles Gute.
Euer WebTeam
kontakt@omasgegenrechts-nord.de

[1] Bildnachweis: (c) OMAS GEGEN RECHTS Nord, auf Grundlage eines Wikimedia-Fotos: By Center for Jewish History, NYC – Flickr: Interior view of the destroyed Fasanenstrasse Synagogue, Berlin, burned during the November Pogroms, Public Domain, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=24622435

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