Hamburg: Offener Brief an Frau Prof. Dr. Brosius-Gersdorf
OMAS GEGEN RECHTS Hamburg
An Frau Professorin Dr. Brosius-Gersdorf
Per eMail, 18.7.2025
Sehr geehrte Frau Professorin Dr. Brosius-Gersdorf!
Wir, die Gruppe der OMAS GEGEN RECHTS aus Hamburg St. Pauli, schreiben Ihnen, um Sie zu bitten, keinesfalls Ihre Kandidatur für das Richteramt am Bundesverfassungsgericht zurückzuziehen. Wir möchten gerne ausführen, warum dies aus unserer Sicht so wichtig ist.
Da ist zuerst das Offensichtliche: Sie sind Zielscheibe einer rechten Hetzkampagne geworden, die Falschaussagen und Verleumdungen verbreitet, nicht nur, um Sie als Richterin „unwählbar“ zu machen, sondern auch, um Ihren Ruf als Juristin und Wissenschaftlerin zu ruinieren. Nach unserem Wissen ist es das erste Mal, dass eine solche Kampagne auf offener Bühne eingesetzt wird, um eine Person des öffentlichen Lebens zu diskreditieren. Der Testfall sozusagen. Wir möchten, dass dieser Testfall erfolglos bleibt, damit er nicht zum Präzedenzfall für kommende Ämterbeset-
zungen wird.
Dazu kommt, dass Sie eine Form des Diskurses vertreten, die akut bedroht ist: Zuhören, abwägen, Argumente in den Zusammenhang stellen, Entscheidungen kritisch hinterfragen. Sie haben all dies in Ihrem Interview bei Markus Lanz beeindruckend geleistet und plötzlich erschien eine echte Debattenkultur wieder möglich, die wir so dringend in vielen gesellschaftlichen Bereichen brauchen. Damit sind Sie die erklärte Gegnerin des Schwarz-Weiß-Denkens, der einfachen Lösungen und Parolen. Wir finden das wunderbar und nachahmenswert, es macht Mut und muss in einem Gericht
wie dem Bundesverfassungsgericht unbedingt gelebt werden!
Und dann ist da noch der grundsätzliche Aspekt. Die extreme Rechte kann Sie nicht daran hindern, Verfassungsrichterin zu werden. Dafür bedarf es der CDU. Und die liefert. Das Bundesverfassungsgericht vertritt die Verfassung, legt sie aus und gibt der Politik Orientierung für ihr Handeln. Es macht nicht Politik. Insofern ist die Argumentation, dass Gewissen eines Abgeordneten zwinge ihn oder sie, eine Person abzulehnen, die den § 218 entkriminalisieren will, nicht sinnvoll. Politische Entscheidungen trifft das Parlament. Hier finden diese Auseinandersetzungen statt. Was wir vielmehr erleben ist eine Entdemokratisierung der CDU. Wer nicht der Meinung konservativer CDU-PolitikerInnen ist, der oder die darf nicht in das Bundesverfassungsgericht gewählt werden. Es geht darum, die Mehrheit der Bürgermeinungen aus dem Gericht auszuschließen, um eine rechte Agenda durchzusetzen. Recht ist nach Vorstellung dieser PolitikerInnen das, was ihnen gefällt.
Demokratie geht anders.
Sie wollten sicherlich niemals eine so große Bühne und nicht die Protagonistin einer solchen Auseinandersetzung werden. Sie sind in keiner Weise verantwortlich für das Desaster, das wir jetzt erleben. Es ist nicht Ihre Aufgabe, aus Verantwortung und Staatstreue den Platz zu räumen. Bitte bleiben Sie stark, wir brauchen Sie!
Sie zahlen einen hohen persönlichen Preis für Ihre Konsequenz und diskursive Klarheit, wir bewundern Sie dafür und sprechen Ihnen unseren Respekt aus.
Wir teilen sicherlich nicht alle Ihre Positionen, aber darum geht es gar nicht.
Wir möchten Sie stärken und ermuntern, Ihren Kurs zu halten. Sie sind eine starke
Frau und wir brauchen Sie!
Mit herzlichen und solidarischen Grüßen aus dem hohen Norden
Die OMAS GEGEN RECHTS aus Hamburg
Alstertal-Walddörfer
Bergedorf & Drumrum
Barmbek
Eimsbüttel
Poppenbüttel
St. Georg
St. Pauli
Süd