<< zurück | Post ID # 28577 | 18.10.2025

Lauenburg: Leserinnenbrief zum Film “Die Möllner Briefe”

Zum Film “Die Möllner Briefe” (> Filmwebseite / > Materialien) haben einige OMAs aus dem Herzogtum Lauenburg (die Stadt Mölln liegt in ihrer Region) zusammen mit weiteren engagierten Frauen einen Leserbrief geschrieben:

An die Lübecker Nachrichten
Leserinnenbrief zum Artikel vom 20. September 2025

Wie die Möllner Briefe nach Jahrzehnten ihre Empfänger finden

Ein Filmabend im Möllner Augustinum, der wohl keinen, der ihn erlebt hat, gleichgültig zurücklassen konnte. Bewegt uns der Film auch nach über 30 Jahren nach den Anschlägen, wie es sich die Regisseurin Martina Priessner ausdrücklich wünscht?

Ja. Durch das unsagbare Leid der Hinterbliebenen, die ungefilterte, fast wortlose Trauer der Mutter um den sinnlosen Tod ihrer kleinen Tochter Yeliz, die unverarbeiteten Traumata der Geschwister Arslan. Durch die in den veröffentlichten Zeichnungen und verlesenen Briefen tief empfundene Traurigkeit und Anteilnahme so vieler Menschen, von Kindern wie Erwachsenen.

Der Film erinnert, bewegt und berührt.

Der Film hat, wie das der Premiere in Mölln nachfolgende Gespräch mit der Regisseurin, Ibrahim und Namik Arslan und dem Bürgermeister Ingo Schäper noch eine zweite Ebene, die zeitweise zum Schwerpunkt zu werden schien: Die Anklage von Ibrahim Arslan, die Stadt Mölln habe diese Briefe den Familien über 30 Jahre hinweg vorenthalten. Sie habe die Angehörigen zudem nicht in die Organisation und Durchführung von Gedenkveranstaltungen mit einbezogen.

Wie im letzten Artikel Ihrer Zeitung vom 14. September beschrieben und im Film kurz erwähnt, wurden viele der Briefe an die „Teestube“ in Mölln weitergeleitet, die als wichtigster Treffpunkt der türkischen Gemeinschaft angesehen wurde. Die Vertreter der Teestube übergaben dann die Briefe der Stadt Mölln, die sie archivierte. Der Vorwurf von Ibrahim Arslan richtet sich nun- im Film, wie auch im anschließenden Gespräch – gegen die damaligen wie nachfolgenden Vertreter der Stadt, sie hätten den Familien die Briefe vorenthalten. Der Frage, warum die Vertreter der Teestube diese Briefe nicht selbst aufbewahrt oder an die Familien, die ihnen ja bekannt sein mussten, übergeben haben, wurde weder im Film noch im Gespräch danach wirklich nachgegangen. Auf die entsprechende Nachfrage aus dem Publikum antwortete Martina Priessner, dass ihre Aufgabe keine kriminalistische gewesen sei, sondern einen Dokumentarfilm zu drehen. Unser Anspruch an einen Dokumentarfilm beinhaltet umfassende faktenbasierte Recherche und nicht nur einseitige Berichterstattung.

Sicherlich hätte seitens der Stadtverwaltung hier eher und im Sinne der Hinterbliebenen gehandelt werden müssen, was auch Bürgermeister Schäper einräumte. Aber die schwere Anklage von Ibrahim Arslan, die auch im Film wiederholt formuliert wird, bezieht sich ausschließlich auf die Stadtverwaltung Mölln und keine Frage wird an die Vertreter der türkischen Gemeinschaft gerichtet. Für eine wahrhaftige Darstellung in diesem Dokumentarfilm wäre es außerdem wünschenswert gewesen, dass einige Zeitzeug*innen aus Mölln, die Kontakt mit Familie Arslan hatten, befragt worden wären. In der filmischen Darstellung sieht es so aus, als ob es keine Hilfe gegeben hätte. Weiter wurde auch nicht recherchiert, warum die Familie Arslan nach der Renovierung wieder in das Brandhaus eingezogen ist.

Sowohl im Film , als auch im Gespräch wird zudem der harte Vorwurf von Ibrahim Arslan ausgesprochen, dass die Gedenkveranstaltungen von seiten der Stadt einseitig und ohne Einbeziehung der Opfer organisiert wurden und insofern respektlos und unpassend seien. Ehrliches Gedenken kann unserer Meinung nach nicht falsch sein, egal, wie und von wem organisiert. Es hilft allen, zu erinnern, Anteilnahme zu wecken, den moralischen Kompass neu auszurichten. Offiziell und inoffiziell hat es- wie die nun veröffentlichten Briefe auch- viel herzliche Anteilnahme der Menschen in und um Mölln herum gegeben- es gibt sie noch.

Der Verein Miteinander Leben e.V. wurde 1992 als Reaktion auf die Brandanschläge mit den Zielen gegründet, das Zusammenleben von Menschen jeder Herkunft in der Region zu verbessern, Aufklärungsarbeit zu Rechtsextremismus, Rassismus und Antisemitismus zu betreiben. Diese demokratische Bildungsstätte in der internationalen Begegnungsstätte Lohgerberei ist ein wichtiger Ort zur Demokratiebildung und zum öffentlichen Gedenken an die Opfer des Brandanschlages mit jährlichen Gedenkfeiern. Wünschenswert wäre gewesen, dass ein Dokumentarfilm diese Einrichtung nicht völlig ignoriert. Damit wird der Film der Stadt Mölln und ihrer Bevölkerung nicht gerecht und zeichnet ein gesamtes negatives Bild, das auch nach unseren Erfahrungen nicht der Realität entspricht.

Wenn es künftig Veranstaltungen gibt, die von den Hinterbliebenen mit organisiert werden und die betroffenen Bewohner*innen der Ratzeburger Straße mit einbeziehen, ebenso wie die Vertreter*innen der Stadt Mölln und die Bürger*innen können alle nur gewinnen – aber das sollte kein Streitthema sein und nicht die Anteilnahme überlagern.

Trauer, Anteilnahme und Erinnern sollten helfen, versöhnlich miteinander zu leben. Das hat der Film, das hat das Gespräch in großen Teilen geleistet, da hat er uns berührt.

Gezeichnet von
OMA Renate, OMA Ellen, OMA Susanne
und weiteren engagierte Frauen im Herzogtum Lauenburg

Herzogtum Lauenburg, den 21. September 2025

OMAS GEGEN RECHTS Lauenburg, Ratzeburg, Mölln (Herzogtum Lauenburg)
Kontakt: OmasimHerzogtum@gmx.net

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