# OMAs Advent 2025 – Türchen 13: Der Weihnachtswunsch
Es gab viele schöne Rückmeldungen zur Geschichte von gestern mit den Wippidus. Ok, dann gibt es noch eine, die mir von einer Freundin erzählt wurde:
Vor vielen Jahren war eine Bekannte selbständig mit einem eigenen „1-Personen-Kurierdienst“ – und alleinerziehende Mutter mit einer Tochter, die damals 5 oder 6 Jahre alt war.
Um die beiden „über Wasser“ zu halten, musste sie oft auch samstags und sonntags arbeiten, vor allem vor Weihnachten. Denn gerade diese Wochenend-Fahrten hielten ihr Geschäft „am Laufen“.
Da es keine andere Möglichkeit gab, nahm sie ihre Tochter auf diesen Wochenend-Touren mit. Sie machten das gern gemeinsam und ihre Tochter war (und ist heute noch) sehr stolz darauf.
Eine der Lieferstationen war ein Pflegeheim. Sie hielten in der Auffahrt, Mama nahm einige Päckchen heraus und sie betraten die Eingangshalle.
Dort stand ein sehr großer Weihnachtsbaum und ihre Tochter blieb fasziniert davor stehen.
Zwischen all den Lichtern und bunten Kugeln entdeckte sie kleine Kärtchen in ganz unterschiedlichen Farben und Formen. Manche aufwändig gestaltet und bunt beklebt, manche nur ganz einfach und kurz beschriftet.
„Mama, was ist das?“ – Ihre Mutter brachte die Lieferpakete zum Empfangstresen und fragte nach. Die Frau am Empfang lächelte: „Das ist unser Wunschbaum. Alle dürfen ihre eigenen Kärtchen mit einem persönlichen Weihnachtswunsch dranhängen.“
„Mama, können wir einen mitnehmen?“ rief die Tochter ganz aufgeregt, aber ihre Mutter zögerte. „Wenn wir das machen, müssen wir den Wunsch auch erfüllen.“ Und etwas leiser fügte sie hinzu: „Und Du weisst ja, wir können uns leider gerade selbst nicht so viel leisten …“
Mit einem entschuldigenden Lächeln ließ sie sich die Päckchen von der Dame am Empfang quittieren, gab ihr den Quittungsdurchschlag, nickte ihr noch einmal zu und sie verließen das Pflegeheim.
Am Montag ging sie in ihr kleines Kurierbüro und öffnete wie immer den Briefkasten. Es war ein Umschlag ohne Beschriftung dabei. Keine Anschrift, kein Absender, nur ein kleiner goldener Stern klebte darauf. Nach einem kurzen Moment der Verwunderung ahnte sie etwas und machte den Brief noch nicht auf, sondern nahm ihn mit nach Hause.
Abends legte sie den Umschlag auf den Küchentisch und sagte zu ihrer Tochter: „Guck mal, ich glaube, der ist für Dich!“
Ihre Tochter staunte. Und – wie Kinder so sind – riss sie sofort den Umschlag auf. Sie konnte noch nicht so richtig gut lesen, also buchstabierte sie es laut: „Z-z-i-mm-er zwööööölf, Maaar-t-in K…K…Kel..ll.. Keller. MAAMMA – kannst Du mir schnell den Rest vorlesen, ich kann das nicht lesen !!??“ Sie zeigte ihrer Mutter das Kärtchen mit der verschnörkelten Handschrift. Ihre Mama las vor: „Zimmer zwölf, Martin Keller. Ich wünsche mir Besuch. Es ist so still hier und meine Familie wohnt jetzt im Ausland.“
Außerdem war noch eine gelbe Haftnotiz dazugelegt worden: „Für die junge Dame mit den strahlenden Augen. Vielleicht kommt Ihr ja noch einmal zu dem Haus mit dem großen Wunschbaum. Liebe Grüße, die Frau vom Eingang.“
Die Tochter rief sofort: „Maaamaaa ??? Biiiiitteeee!“ Mama musste lächeln und aufpassen, dass sie nicht anfing, zu weinen. Sie wusste gar nicht genau, warum. Für den noch unbekannten Herrn, der seinen Wunsch erfüllt bekommen würde? Für ihre Tochter, die nun einen Wunsch erfüllen durfte? Für sich, dass sie ihrer Tochter damit jetzt ebenfalls einen Wunsch erfüllen konnte? Aus Dankbarkeit für so wundervolle Menschen, wie die Frau am Empfang, die mit ganz kleinen Dingen so viel Freude möglich machte? Lauter Gedanken schwirrten ihr durch den Kopf. Sie konnte es gar nicht richtig fassen und sagte nur kurz: „Ok, Freitag nach der Schule.“
Zeit schenken kostet nichts – aber es ist so ein großes Geschenk.
Am Freitag standen sie, wie versprochen, wieder in der Eingangshalle des Pflegeheims. Eine andere Frau war am Empfangstresen und sie wusste leider nicht spontan, wer am Wochenende zuvor Dienst hatte. Sie staunte über den Wunschzettel. Aber Zimmer 12, ja, das sei Herr Keller, und der sei auch da. Er sei immer da, weil er nicht mehr gut laufen konnte. Und er habe tatsächlich schon lange keinen Besuch mehr gehabt, weil seine Familie im Ausland lebte.
Sie brachte die beiden zu Zimmer Zwölf, ging kurz hinein, kam wieder heraus, schaute die Tochter an und sagte breit lächelnd: „Da freut sich jemand sehr darauf, Dich kennenzulernen!“
Herr Keller saß in seinem Bett, daneben ein Rollstuhl. Die Tochter war kurz etwas zögerlich, dann platzte es aus ihr heraus: „Ich bin hier mit meiner Mama und wir erfüllen Ihren Wunsch!“. Nach der ersten Überraschung mussten alle lachen.
Es wurde ein wunderbarer Nachmittag. Herr Keller stellte sich als großartiger Erzähler heraus – mit Geschichten von früher, von Weihnachten, aus seinem Beruf, und etwas leiser auch von seinen Kindern, die nun im Ausland lebten und nicht mehr so einfach zu Besuch kommen konnten. Und von seiner Frau, die schon vor vielen Jahren verstorben war, aber eine sehr lustige Person gewesen sein musste.
So gingen ein, zwei Stunden schnell vorbei. Beim Verabschieden bedankte sich Herr Keller überschwenglich dafür, dass sein Wunsch erfüllt worden war. „Nein“, sagte die Mutter, „Wir haben heute ein Geschenk bekommen.“
Es gab noch viele weitere dieser Besuche, über viele Jahre hinweg.
Einige Jahre später verstarb Herr Keller. Bei seiner Beerdigung lernten sie die Familie kennen. Der Sohn kam auf sie zu: „Sie müssen das Weihnachtswunder sein. Mein Vater hat nie einen Namen genannt, er hat immer nur von seinem Weihnachtswunder gesprochen. Und – ähm – ich habe etwas für Sie.“
Er gab der Tochter, die inzwischen fast erwachsen war, aber immer noch regelmäßig Herrn Keller besucht hatte, einen dicken Umschlag. Darin lag ein großes Notizbuch mit einem Zettel: „Ich habe ein paar der Geschichten aufgeschrieben. Erzähl sie bitte weiter. Und es ist noch Platz – wenn Du möchtest, setze es bitte mit Deinen eigenen Geschichten fort. In Dankbarkeit, Dein Freund Martin Keller.“
Sie hat es weitergeführt. Und nach und nach sind weitere Bücher hinzugekommen. Inzwischen hat die Tochter eigene Kinder und es ist bei ihnen zur Weihnachtstradition geworden, an den Feiertagen mindestens eine Geschichte aus dem Buch vorzulesen. Zuhause oder bei Menschen, die es gerade nicht so gut haben. So verschenken sie weiterhin Zeit und Aufmerksamkeit – die größten Geschenke, die es gibt.
Sandra, OMAS GEGEN RECHTS Nord & Bund
kontakt@omasgegenrechts-nord.de






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