Alice Hasters: Was weiße Menschen nicht über Rassismus hören wollen, aber wissen sollten
Über die Schwierigkeit, als Schwarze Frau eine positive Identität in einem weißen Umfeld zu finden
In ihrem Buch “Was weiße Menschen nicht über Rassismus hören wollen, aber wissen sollten” schreibt Alice Hasters, dass die häufig gehörte Klage, man sehe ja „keine Deutschen mehr auf der Straße“, eine Klage darüber sei, dass man nicht mehr ausschließlich weißen Menschen begegne. Ihr erklärtes Ziel ist es, anhand ihrer eigenen Erfahrungen aufzuzeigen, wie dieser Rassismus im Kleinen, im Alltag, mit dem Rassismus im Großen zusammenhängt.
Alice Hasters ist in Köln geboren und in einem liebevollen, kreativen und bildungs-bürgerlichen Umfeld aufgewachsen, mit einer afroamerikanischen Mutter, einem weißen Vater sowie zwei Schwestern. Obwohl es ihren Eltern wichtig war, das Selbstbewusstsein ihrer Töchter zu fördern, Alice Hasters studiert hat und sie beruflich sehr erfolgreich ist, fühlt sie sich offenbar nicht wirklich als zugehörig und gleichberechtigt wahrgenommen.
Hasters Ton ist klar und bestimmt, aber nie aggressiv. „Wer wirklich etwas gegen Diskriminierung tun möchte, sollte bei sich selbst anfangen. Damit meine ich wirklich alle, auch mich.“ Rassismus wurde erfunden, um eine Hierarchie unter Menschengruppen herstellen und Unterdrückung moralisch rechtfertigen zu können und sei so sehr in unserem Weltbild verankert, dass wir zwangsläufig rassistische Denkmuster hätten. Wobei Rassismus nicht erst bei Angriffen und Beleidigungen, sondern bereits dann zutage trete, wenn bestimmten Gruppen spezifische Eigenschaften zugeschrieben würden, wie „Schwarze können gut tanzen“. Häufig äußere Rassismus sich auch durch unbewusste Handlungen, etwa wenn eine Frau ihre Tasche umkralle, sobald Hasters als Schwarze Frau sich neben sie setze.
Hasters berichtet von der Rassifizierung, beginnend bei Aristoteles, ihren Hintergründen und Folgen bis heute. Bezüglich der aktuellen Situation bezieht sie sich sowohl auf Studien, Veröffentlichungen anderer Schwarzer Autorinnen als auch auf ihre eigenen Erfahrungen. Sie beschreibt anschaulich, wie es ist, anders auszusehen als die Mehrheit, deshalb aufzufallen und entweder besonders angeschaut und teilweise von Fremden angefasst oder aber als Individuum ignoriert zu werden.
Manches könnte allerdings auch anders eingeordnet werden, als Hasters das tut: Wenn sie darüber schreibt, wie sie nach ihrem Äußeren beurteilt wird und dass ausgeprägte Muskeln bei ihr als Schwarzer Frau als unweiblich bewertet würden, dann trifft das genauso auf weiße Frauen zu. Oder wenn sie berichtet, wie eine fremde Frau ihr, in einer Schlange vor einer Clubtoilette wartend, fröhlich lächelnd in die Haare fasst und: „Du hast so schöne Haare“ sagt, danach, auf Hasters (vermutlich missbilligenden) Blick hin: „Nerven sie dich? Man möchte ja immer, was man nicht hat“, was Hasters als Abwertung von Afrohaaren versteht.
Es gibt auch Passagen, die schwer nachzuvollziehen sind, etwa wenn Hasters schreibt: „Wie sieht eine wohlhabende Schwarze Akademikerin aus? Ich habe kein Bild dazu, weil es dieses Stereotyp nicht gibt.“ Was ist z.B. mit Oprah Winfrey, Michele Obama, Kamala Harris oder Alexandria Ocasio-Cortez?
Letztendlich scheint jedoch das Kernproblem zu sein, dass selbst scheinbar privilegierte Menschen wie Alice Hasters sich in einer mehrheitlich weißen Umgebung nicht unbelastet und entspannt ihres Lebens, ihrer Schönheit und ihres Erfolges freuen können, weil sie sich nicht zugehörig und gleichberechtigt fühlen – Grund genug, sich mit ihrer Sicht der Dinge zu beschäftigen.
Monika D., Omas Gegen Rechts, 16.11.2020